Um die Frage „Legal Tech – Bedrohung oder Chance für Rechtsanwälte?“ zu beantworten, ist es zunächst notwendig die verschiedenen Arten von Legal Tech zu unterscheiden. Professor Oliver R. Goodenough von der Vermont Law School unterteilt Legal Tech Services in Versionsnummern 1.0 – 3.0 (Quelle: Huffingtonpost.com). Mir persönlich erscheint für die Beantwortung der Frage eine Unterscheidung von Legal Tech Services sinnvoll, die sich entweder primär an Klienten oder an Kanzleien richten.
Legal Tech Services für Klienten
Legal Tech Firmen, die sich mit ihrem Service speziell an Klienten richten, sind z.B. Legalbase, Advocado oder Jurato. Diese Unternehmen bieten online Anwaltsservices zu Festpreisen und vermitteln Rechtsanwälte an Mandanten. Durch die angebotenen Festpreise von im Wettbewerb stehenden Anwälten werden Rechtsprodukte günstiger. Aus dieser Konkurrenzsituation könnte man schliessen, dass im Schnitt weniger Umsatz pro Mandant generiert wird, um im Wettbewerb zu bestehen. Wenn man aber bedenkt, dass geschätzt über 2/3 aller Rechtsratsuchenden in Deutschland erst gar keinen Anwalt aufsuchen, weil sie zu hohe Kosten scheuen, könnte sich der Gesamtumsatz durch diese Angebote zu überschaubaren Festpreisen deutlich steigern. Profitieren würden davon allerdings nur die Anwälte, die entweder auf solchen Plattformen ihre Rechtsprodukte offerieren oder selber Angebote zu Festpreisen anbieten und diese geschickt bewerben.
Spezialisierte Unternehmen wie geblitzt.de (Bußgeldverfahren / Blitzer) oder flightright (Entschädigung für Fluggäste), die entweder Angebote an Klienten völlig kostenlos oder mit einer Erfolgsprovision anbieten, sind davon getrennt zu betrachten. Der Klient, der ein Bußgeldverfahren kostenlos online mit wenig Aufwand prüfen kann, geht damit nicht mehr zu einem Anwalt um die Ecke oder sucht sich gar einen neuen Rechtsberater. Da es sich aber bei diesen Services um Rechtsangebote handelt, die sich nur in der Masse lohnen, waren diese Dienstleistungen von vielen Rechtsanwälten oft nie sehr begehrt. Daher ist hier ein komplett neuer, eigener Markt entstanden, der Rechtsanwälten nichts (oder nur sehr wenig) wegnimmt, was diese nicht auch schon vorher nicht gewollt haben.
Legal Tech Services für Kanzleien
Legal Tech Firmen, die Legal Tech Services für Kanzleien anbieten, sind z.B. Unternehmen wie LegalTrek (Software zur Abrechnung und internen Kommunikation), Leverton (automatisierte Vertragsanalyse) oder Lexalgo (teil-automatisierte Prüfung von juristischen Schverhalten). Diese Firmen helfen Kanzleien effizienter und damit kostengünstiger zu arbeiten. Dies könnte einerseits dazu führen, dass weniger Anwälte in einer Kanzlei benötigt werden, da bisherige Recherche- und Analysearbeiten durch Software ersetzt werden. Es könnte aber auch bedeuten, dass die durch die Software neu gewonnene Arbeitszeit der nun freien „Human Resources“ zur Verbesserung der Qualität der Rechtsdienstleistung führt. Anwälte arbeiten ja nicht nur im Bereich der Vertragsgestaltung oder Due Diligence Prüfungen, sondern auch in der persönlichen, und vor allem auch wirtschaftlichen Beratung, wie Ausarbeitung neuer Konzepte und Möglichkeiten für ihre Mandaten. Ob diese neue Art von Software daher Arbeitsplätze kostet, richtet sich am Ende primär nach dem Wunsch der Mandanten. Wollen diese lieber weniger bezahlen für die gleiche Rechtsdienstleistung oder bevorzugen diese eine höhere Beratungsqualität bei gleichbleibender Bezahlung? Wahrscheinlich wird diese Frage je nach Klient und juristischem Feld unterschiedlich beantwortet werden.
Zukünftige Legal Tech Konzepte
Zukünftige Legal Tech Services, an denen heute schon geforscht wird, haben sicherlich das größte Potential den Rechtsberatungsmarkt grundlegend zu verändern. Hier sind u.a. künstliche Intelligenz i.v.m. Big Data / Machine Learning und Legal Chatbots zu nennen. Umso höher die Selbständigkeit und Automatisierung solcher Software voranschreitet, umso eher ist diese nicht nur ein Tool für Rechtsanwälte, wie z.B. jetzt schon IBM Ross, sondern wird immer mehr die menschliche Leistung ersetzen. Wie weit dies machbar ist, ist umstritten und sicherlich auch noch nicht vollständig abzuschätzen.
Legal Tech – Bedrohung oder Chance?
Die Frage, ob Legal Tech also eher eine Bedrohung oder eher eine Chance für Rechtsanwälte darstellt, lässt sich wohl am besten so beantworten: Im Rückblick hat jede industrielle Revolution zunächst Arbeitsplätze gekostet, bis sich der Arbeitsmarkt auf die neue Situation eingestellt hat und neue Berufe bzw. Berufsfelder geschaffen wurden. Dies wird wohl auch bei Legal Tech langfristig nicht anders sein. Sicher ist jedenfalls, dass sich Rechtsanwälte in den nächsten Jahren auf die veränderten Technologien einstellen müssen, diese aber auch oftmals zu ihrem Vorteil verwenden können. Insofern ist Legal Tech sicher eher als Chance, denn als Bedrohung anzusehen.
Autor: Patrick Prior
Jurist & Legal Tech Berater
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