Auswirkungen der Digitalisierung des Rechts (Legal Tech) auf Verbraucher

Jeder Mensch hat irgendwann einmal in seinem Leben mit rechtlichen Problemen zu kämpfen. Sogenannte Legal Tech Unternehmen wollen diese Rechtsprobleme für Verbraucher in vielen Feldern einfacher gestalten, und somit den Zugang zum Recht schneller, günstiger und komfortabler ermöglichen.

In der Rechtsberatungsbranche wird der Begriff „Legal Tech“ in Deutschland seit 2015 immer bekannter. Anfänglich von wenigen Enthusiasten betrieben, und manchmal als Hype abgetan, wird „Legal Tech“ nun immer mehr Bestandteil der täglichen Arbeit von Juristen. Vielen Verbrauchern ist „Legal Tech“ allerdings noch kein Begriff und selbst die erfolgreichsten deutschen Legal Tech Unternehmen haben aktuell noch keine großflächige Bekanntheit erlangt. Hier nun ein kurzer Überblick über die verschiedenen Anbieter von Legal Tech Lösungen für Verbraucher:

Online-Rechtsmarktplätze
Auf Online-Rechtsmarktplätzen findet der Verbraucher verschiedenste Rechtsprodukte, die entweder zu Festpreisen oder im Rahmen einer kostenlosen Ersteinschätzung gebucht werden können. Bei diesen Rechtsprodukten handelt es sich zum Beispiel um die Erstellung eines Testaments oder die Überprüfung eines Arbeits- oder Mietvertrages. Im Vordergrund steht bei diesen Plattformen zunächst nicht einen passenden Anwalt zu finden, sondern die Lösung eines Rechtsproblems zu einem günstigen Preis. Der passende Anwalt wird meist erst in einem zweiten Schritt ausgesucht und muss sich dann kostentransparent mit seinen Kollegen vergleichen lassen. Bekannte Unternehmen sind hier Jurato, advocado und legalbase. Für die Verbraucher haben Online-Rechtsmarktplätze den Vorteil einer Kostentransparenz und einer meist komplett über die Plattform laufenden Beratung. Bisher steht die Verbreitung und der Erfolg dieser Marktplätze in Deutschland aber noch am Anfang.

Rechtsinformationsseiten
Rechtliche Infoseiten bieten heute, ähnlich einer Wikipedia, in diversen Rechtsgebieten tausende Rechtsinfos kostenlos. Meist wird dieses Angebot verknüpft mit einer kostenlosen Ersteinschätzung von Rechtsanwälten. Darüber hinaus werden Online-Beratungen oder telefonische Rechtsberatungen zu Festpreisen angeboten. Bekannte Firmen sind hier FragRobin, FAQ-Recht und Rechtsberater.de. Der Verbraucher bekommt viele rechtliche Informationen kostenlos, und ähnlich wie bei den Online-Rechtsmarktplätzen, kann eine weitergehende Rechtsberatung kostentransparent hinzugebucht werden.

Spezialisierte Online-Rechtsdienstleister
Spezialisierte Anbieter von rechtlichen Nischen-Lösungen haben sicherlich zur Zeit die höchste Bekanntheit unter den Legal Tech Firmen in Deutschland. Die Bandbreite reicht von Unternehmen, die sich um Entschädigung für Flugausfälle (u.a. flightright, myflight, fairplane) oder Zugausfälle (z.B. bahn-buddy oder zug-erstattung.de), bis hin zu Firmen, die sich um Bußgeldbescheide für zu schnelles Fahren kümmern (geblitzt.de). Außerdem gibt es Spezialisten für die Rückerstattung fehlerhafter Lebensversicherungsverträge (helpcheck.de), für die kostenlose Überprüfung von Hartz4-Bescheiden (rightmart.de) und Unternehmen, die die Rechte von Verbrauchern gegen Diesel-Fahrzeughersteller bezüglich des Abgasskandals wahrnehmen (myright.de).

Ein relativ neuer Anbieter ist Abfindungsheld. Dieser bietet dem Verbraucher Hilfe beim Erhalt einer Abfindung nach einer unrechtmäßig erteilten Kündigung durch den Arbeitgeber. Das Start-Up bietet dem Kunden dabei an, die Abfindung innerhalb von 24 Stunden auf sein Konto zu überweisen. Abfindungsheld kassiert dabei entweder eine Provision oder arbeitet auf Grundlage einer Rechtsschutzversicherung, wenn diese beim Arbeitnehmer vorhanden ist. Die komplette rechtliche Abwicklung übernimmt dabei der Anbieter.

Alle diese Unternehmen arbeiten entweder kostenlos über eine Rechtsschutzversicherung bzw. über ein Prozess-Finanzierungsmodell oder auf Provisionsbasis, so dass der Verbraucher niemals selbst zur Kasse gebeten wird, um seine Rechte wahrnehmen zu können. In diesen Bereichen zeigt die Digitalisierung des Rechts, zumindest aktuell, die größte Wirkung für den Verbraucher.

Hilfe bei Verträgen
Weitere Legal Tech Firmen haben sich auf Hilfe bei Verbraucher-Verträgen spezialisiert. Hierbei handelt es sich um Anbieter, die Vertragsassistenten anbieten, die bei der Übersichtlichkeit und Laufzeit langfristiger Verträge helfen oder Kündigungsvorlagen für Langzeitverträge oder Abofallen anbieten (z.B. Volders, kuendigung.org und aboalarm).

Möchten Verbraucher eigene Verträge günstig und rechtssicher erstellen, müssen sie heute in einfach gelagerten Fällen ebenfalls keine anwaltliche Hilfe mehr in Anspruch nehmen. Vertragsvorlagen zum Download sind heute vollständig personalisiert erhältlich, so dass man eigene Verträge, wie zum Beispiel ein Testament oder eine Patientenverfügung, nach der Beantwortung von diversen Fragen an seine Bedürfnisse anpassen und kostengünstig erstellen kann. Hierbei helfen Firmen wie smartlaw, agreement24 oder dasRecht.de.

Kanzleisoftware – indirekte Auswirkungen auf Verbraucher
Auch die Fortschritte im Bereich der von Anwälten genutzten Kanzleisoftware haben positive Auswirkungen auf die Verbraucher. Digitalisierung, Automation und künstliche Intelligenz werden hier immer ausgeklügelter und dies führt dazu, dass Anwälte ihre Dienstleistungen deutlich schneller, transparenter und kostengünstiger anbieten werden, auch weil der Wettbewerb unter den Kanzleien noch weiter wachsen wird.

Zukünftige Entwicklungen
Weitere Entwicklungen der Rechtsbranche sind schon zum Teil absehbar, wie Legal Chatbots mit Namen wie Billybot und DoNotPay in USA & GB bereits zeigen. Die Einführung und Verbreitung von Legal Chatbots in Verbindung mit künstlicher Intelligenz, Big Data und maschinellem Lernen wird zunächst die Erstkommunikation zwischen Verbrauchern und Rechtsanwälten verändern und später zu autonomen Rechtsberatungssystemen führen, die nur noch bei komplexen Fällen den Rat und die Expertise eines Anwalts benötigen. Standardfallfragen werden dann immer mehr von intelligenter Software beantwortet werden können. Auch dadurch werden die Kosten für eine Rechtsberatung fallen und das Modell der „Abrechnung nach Stunden“ immer weiter vom Markt verschwinden. Künstliche Intelligenz & Big Data wird auch bei Behörden und Gerichten Einzug halten, wie dies in den USA schon teilweise zu beobachten ist.

Fazit
Legal Tech verändert langsam aber stetig die Rechtswelt der Anwälte. Diese Veränderungen werden schon bald auch bei der großen Masse der Verbraucher spürbar ankommen und den Zugang zum Recht allgemein günstiger, schneller und ohne große Hürden möglich machen. Mit einem Blick in die USA kann man schon absehen, wie selbstverständlich Verbraucher diverse Angebote von Legal Tech Unternehmen nutzen werden. Die Digitalisierung des Rechts ist dabei unaufhaltsam und wird zu gesellschaftlichen Fortschritten und vor allem zu mehr Gerechtigkeit führen.

 


Autor: Patrick Prior
Jurist & Legal Tech Berater
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